Monday, May 9, 2005

Jonathan Franzen: The Corrections

Als ich dann heute wieder allein in Dublin war, habe ich viel gelesen: The Corrections von Jonathan Franzen. Dazu war ich schon lange nicht mehr gekommen. Nun bin ich aber bald durch und finde es schade. Ich überlege, ob ich passenderweise "Ulysses" von James Joyce lesen sollte. Nicht nur, weil ich in Dublin bin, auch, weil mein Umherwandeln in Dublin manchmal einer Odyssee ähnelt.

The Corrections spiegelt so deutlich wieder, was mich in den USA manchmal so genervt hat: der spießig-zwanghafte Umgang vieler Menschen untereinander. Das wird in den Corrections vor allem in Enid, der Mutter der portraitierten Familie, figuriert. Sie versucht das Leben aller anderen Menschen um sich herum zu lenken, zu managen. Wenn ihr das nicht gelingt, dann sind ihr andere Menschen peinlich. Individualität, Unangepasstheit und Spontanität sind ihr ein Greuel. Sie glaubt, für alles Verantwortung übernehmen zu müssen und kann damit selbst natürlich nicht glücklich werden.

Alle anderen durchkreuzen immer wieder ihre Pläne, beharren auf ihrer Individualität und stören so Enids vermeintlich wohlgeordnete Welt. Ihr Compagnion ist ihr ältester Sohn Garry (erfolgreich, verheiratet, drei Söhne), ihre Gegenspieler sind ihr Mann Alfred (senil, inkontinent, dickköpfig), die Tochter Denise (geschieden, bisexuell, talentiert mit instabiler Karriere) und der Sohn Chip (intellektuell, Exproffessor - gefeuert wegen sexueller Beziehung zu einer Studentin - und zeitweise illegaler Entrepreneur in Vilnius). Enids einziger Wunsch ist es, die ganze Familie zu einem letzten Weihnachtsfest in ihrem Haus zusammenzubringen. Zwischendurch wird sie abhängig von Psychopharmaka, Alfred fällt während einer Kreuzfahrt 8 Stockwerke tief vor Kanada in den Nordatlantik, Garry bekommt von seiner Frau eine kräftige Depression verschrieben, Denise schläft erst mit der Frau ihres Chefs und dann mit ihm selber (alles kommt raus, sie wird gefeuert und verlassen) und Chip geht in den poltischen Wirren in Vilnius verloren. Es ist alles sehr schön unwahrscheinlich und doch beschreibt es ganz passend einen Snapshot unserer Welt und zeigt dabei, was in privaten (sogar neurologischen) und globalen Zusammenhängen so alles außer Kontrolle gerät. Gegen Ende des Buches gelingt es Franzen erstaunlich gut aus der Perspektive erster Hand einen Zustand zu beschreiben, zu dem er mit Sicherheit keinen Zugang hat: Demenz, Verwirrtheit, das Auseinanderbrechen der kohärenten Welt für das Individuum.

Am Ende ist Alfred tot, die Familie um einiges glücklicher hinterlassend, den Leser angemessen ratlos aus der Geschichte entlassend.

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